Wie der Einfluss von Konzern- und Agrarlobbyisten das Gemeinwohl gefährdet

Haben Sie sich schon einmal gefragt, WARUM eigentlich so viele umstrittene Pestizide in der Landwirtschaft eingesetzt werden dürfen, obwohl die meisten Menschen das ablehnen? WARUM die wichtigsten Angaben auf Lebensmittelpackungen in winzig kleiner Schrift versteckt auf der Rückseite stehen? Oder WARUM die Tierschutzstandards nicht endlich besser kontrolliert werden?

Ein Teil der Antwort liegt sicher in dem, was die frühere Ernährungs- und Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner laut „Spiegel“ (N°4/18) gestanden haben soll: „Ich tue alles, was der Bauernverband will.“

Der Spiegel N°4 / 2018 „Risse in der Wagenburg“. Von Antonia Schäfer und Michaela Schießl:
http://www.are-org.de/Spiegel-Artikel_20.01.18.pdf

Eine gewählte Volksvertreterin und vereidigte Ministerin, die sich ihre Politik von der Agrarlobby diktieren lässt? Das ist schlimm – noch schlimmer aber ist, dass es sich bei der Ministerin mitnichten um einen Einzelfall handelt. Im Gegenteil: Die Macht der Einflüsterer vom Bauernverband und den Lobbyverbänden der Lebensmittelindustrie ist gewaltig, und wir spüren sie jeden Tag (auch seeeehr gut in Südtirol).

http://mailings.foodwatch.de/

Wie groß der Einfluss der Lobbyisten tatsächlich ist, lässt sich an einigen erschreckenden Beispielen nur erahnen:

  • Die Wissenschaftler der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) haben im Auftrag der Bundesregierung Qualitätsstandards für eine gute Ernährung in Kindergärten entwickelt. Aber: Das Ernährungsministerium hat sie danach nicht einfach veröffentlicht, sondern erst einmal dem Lobbyverband der Lebensmittelwirtschaft zur Stellungnahme gegeben – und die Standards daraufhin allen Ernstes abgesenkt! Die Lobbyisten freuten sich, dass sie „zahlreiche Inhalte“ noch „verbessern“ konnten. Konkret: Künstliche Aromen, Geschmacksverstärker, Schmelzkäse oder Süßstoffe blieben in den Kitas weiter „erlaubt“. Und das entgegen dem Rat der unabhängigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler!
  • Eine Milliarde Euro (!) hat die Lebensmittelindustrie EU-weit investiert, um die von zahlreichen Verbraucherinnen und Verbrauchern gewünschte Ampelkennzeichnung für Lebensmittel zu verhindern – mit vollem Erfolg, es gibt bis heute keine verbindliche Nährwert-Ampel. In der Lobby-Schlacht um die Kennzeichnungsvorgaben baute die Lebensmittelindustrie ihre „Informations“-Stände sogar mitten im Europaparlament auf! Auch eine bessere Herkunftskennzeichnung, für die sich das Europaparlament schon ausgesprochen hatte, verhinderte sie. Und sie drückte zusätzlich noch eine 1,2-Millimeter-große Schrift für die Angaben auf Etiketten durch, nachdem ursprünglich größere Angaben vorgesehen waren.
  • Die Verlängerung der Glyphosat-Zulassung zeigt besonders deutlich, welche Macht die Wirtschaftslobby hat. Bei ihrer Risikobewertung schrieb die zuständige Behörde aus Monsanto-Studien ab. Und als bei der EU-Abstimmung das deutsche „Ja“ den Ausschlag für eine erneute Zulassung des Ackergifts gab, hatte der damalige Landwirtschaftsminister Christian Schmidt gute Unterstützung: Sein Staatssekretär Peter Bleser nämlich ist in der Branche bestens vernetzt. Vor seinem Amt im Ministerium war er nicht einfach nur der „verbraucherschutzpolitische Sprecher“ seine Fraktion, sondern saß auch im Aufsichtsrat eines Agrarhändlers mit Milliardenumsatz. Und ließ sich auch mal zum „Paten“ (!) eines Monsanto-Gentechnikfeldes ernennen! Wenig überraschend, dass Monsanto bis heute seine Studien, nach denen Glyphosat angeblich unbedenklich sei, noch nicht einmal veröffentlichen muss…