Mutantia.ch ist am Schoggi-Punkt angekommen
Im Mai 2018, als mutantia.ch online ging, schrieben wir: „Unabhängiger Journalismus ist auch eine Verantwortung – gerade jetzt, da Journalisten selbst in Europa wegen ihrer Arbeit bedroht oder gar ermordet werden.
Und solange es zu Brot und Wasser und gelegentlich einem Stück Schokolade reicht, solange soll es auch mutantia.ch geben.“ – Was wir damals mit einem ironischen Unterton formulierten, ist nun im September 2019 Realität geworden. Wir sind am Schoggi-Punkt angekommen, will heissen: Es reicht im Moment kaum noch für ein Stück Schokolade.
Seit Beginn von mutantia.ch arbeiten wir weitgehend ehrenamtlich. Mit „wir“ meine ich in erster Linie Katharina Hohenstein, die praktisch alle bisher veröffentlichten Artikel gegengelesen und kritisch unter die Lupe genommen hat. Mit „wir“ meine ich auch unser kleines Team hier in Quito, bestehend aus Mayra (Journalistin, Ecuador), Vicky (Korrekturleserin, Ecuador), Marizu (Mädchen für alles, Argentinien) sowie El Pola (Zeichner, Argentinien) und Mariluz (Audio, Venezuela). Seit Januar sind wir dabei, die spanische Version von mutantia.ch aufzubauen und publizieren seit dem 10. Juli 2019 einmal wöchentlich. Langfristig, so die anfängliche Idee, sollte die deutschsprachige Leserschaft die spanischen Texte mitfinanzieren, quasi als transatlantische Solidaritätsbekundung zwischen den beiden Kontinenten. Denn die spanischen Texte sind kostenlos und werden in voller Länge auf mutantia.ch publiziert – und das soll auch so bleiben.
Zwar hat die Mehrheit der bisherigen Leserschaft aus dem deutschsprachigen Raum Ihr Abonnement verlängert (vielen Dank!), ja mit Margot, Marlis, Albi und Susanne sind in den vergangenen Wochen sogar neue LeserInnen dazugekommen. Aber wenn wir den Betrieb und den Anspruch auf kritischen Journalismus aufrechterhalten wollen – und das wollen wir! – sind wir auf zusätzliche Beiträge angewiesen. Konkret heisst das: Die Anzahl der LeserInnen muss sich von derzeit 35 bis Ende 2019 mindestens verdoppeln und bis Mitte nächstes Jahr verdreifachen. Einmalige Unterstützungen, je nach Möglichkeiten, sind uns ebenso willkommen. Ihr versteht schon: Wir sind dankbar für alles, was uns weiterschreiben und arbeiten lässt.
Selbst dann werden wir noch keine grossen Sprünge machen, aber immerhin können wir so die verschiedenen Recherchen finanzieren und möglicherweise lässt sich sogar das eine oder andere Honorar auszahlen. Zudem steht ein mögliches Praktikum einer Schweizer Studentin zur Diskussion, die nächstes Jahr eventuell nach Ecuador kommt, um erste Erfahrungen im Journalismus zu sammeln. Und dafür brauchen wir mehr oder weniger gesicherte Strukturen. Deswegen wenden wir uns noch einmal an Euch, mit der nicht kleinen Bitte, uns bei der Suche nach weiteren Abonentinnen weiterhelfen zu können.
Kommen wir zu den restlichen Internas:
- Die Feuer in Bolivien: Noch immer brennt es im Andenstaat und die Nachrichten, die uns täglich aus Bolivien erreichen sind zunehmend erschütternd. Denn offenbar werden freiwillige Feuerwehrfrauen und -männer von den lokalen Regierungen bei den Löscharbeiten behindert. Auch Hilfslieferungen sollen von Behörden-Mitgliedern zurückgehalten werden. Und auch das Militär, so sagte es eine freiwillige Helferin am Donnerstag in einer Videobotschaft aus Chiquitania im Südosten des Landes, lasse die Freiwilligen in gewisse Bereich nicht vordringen. Man habe alles im Griff, hiess es. Fakt ist, dass die Feuer in Bolivien nun schon seit anderthalb Monaten wüten und von organisierten Gruppen teilweise neu entfacht worden sind. Inzwischen sind über zwei Millionen Hektare Land betroffen. Auch hält sich hartnäckig das Gerücht, dass politische Interessen hinter den Feuern stecken; in Bolivien kommt es Mitte Oktober zu Präsidentschaftswahlen, und der bisherige Amtsinhaber Evo Morales wird ein viertes Mal antreten. mutantia.ch ist nach wie vor über WhatsApp mit Freiwilligen und Feuerwehrfrauen und -männern aus der Gegend Chiquitania in Kontakt. Wir werden wieder berichten.
- Die Themen von mutantia.ch: mutantia.ch ist gestartet, um jenen Themen Raum zu geben, die ausserhalb Europas wichtig sind und deshalb in den europäischen Massenmedien kaum oder nicht vorkommen. Nach knapp anderthalb Jahren haben sich allerdings sechs Schwerpunkte herauskristallisiert, die wir auch in Zukunft behandeln werden: Migration, Natur- und Menschenrechte, Umwelt, Rohstoff-Ausbeutung, Geschlechterfragen sowie Themen zu Transition und Permakultur. Letztgenannte sollen in diesem Jahr – auch in Anbetracht der multiplen Krisen – vermehrt behandelt werden. Unsere LeserInnen sollen nicht nur hilflos vor dem Computer sitzen und sich fragen: Was jetzt? Sie sollen in unseren Beiträgen auch jene Realitäten finden, die zum Leben animieren und die ihre persönliche Entwicklung hin zum Buen Vivir fördern.
- mutantia auf Spanisch: Wie oben erwähnt, publizieren wir seit dem 10. Juli 2019 auch wöchentlich auf Spanisch. Dank einer Facebook-Kampagne hat sich unsere Leserschaft entsprechend erweitert. Allein bei Facebook folgen uns inzwischen knapp 400 Personen (ja, wir erlauben uns, auf diese Daten zurückzugreifen …). Die meisten unserer LeserInnen sind zwischen 25 und 44 Jahre alt und wohnen in Quito (70 Prozent) sowie Guayaquil (17). Ein paar LeserInnen klicken uns auch aus Buenos Aires (5) und Barcelona (5) an, ganz wenige stammen aus Santiago de Chile, Bogota und Paris.
- Mitarbeit auf Deutsch: Unsere Suche nach einem/einer deutschsprachigen Comunity-Managerin ist leider erfolglos geblieben. Dabei würden wir nun, da wir das Messer am Hals haben, zwischen Oktober und Dezember gerne eine grössere Kampagne im deutschsprachigen Raum lancieren, um so neue LeserInnen anwerben zu können. EinE entsprechendeR Experte/Expertin ist hierfür allerdings unabdingbar. Ebenfalls suchen wir einen Webmaster, der sich mit dem Programm Worldpress auskennt, sowie andere deutschsprachige TexterInnen (das müssen nicht zwingend JournalistInnen sein), die ausserhalb Europas arbeiten. Das Jahreshonorar wird sich bis auf weiteres zwischen einem und hundert Euro bewegen, in etwa.
- Aufruf zum Klimastreik am 27. September 2019: Extinction Rebellion (Rebellion gegen das Aussterben, kurz XR) ist so etwas wie die Erwachsenenorganisation von fridaysforfuture (fff). Die soziale Bewegung, die Ende 2018 in England gegründet wurde und sich in den letzten Monaten rasend schnell in Europa ausgebreitet hatte, setzt wie fff auf zivilen Ungehorsam als Mittel des Protestes: sei dies durch Anketten an Banken (wie vor ein paar Wochen in Zürich geschehen), um gegen fragwürdige Investitionen zu protestieren, sei dies durch die Besetzung von Supermarktketten oder sei es, sich mitten auf eine Strasse zu legen. Ziel der Aktionen: Gesellschaft und Regierung mittels gewaltlosem Protest dazu aufzufordern, konkrete Massnahmen für die Gesundung des Klimas zu ergreifen.
XR hat inzwischen auch AblegerInnen in Lateinamerika, allen voran in Argentinien, Kolumbien und Ecuador (Details dazu im kommenden Newsletter). mutantia.ch hat nach der Team-Sitzung vergangene Woche hier in Quito beschlossen, sich der Bewegung anzuschliessen. Wir rufen deshalb dazu auf, sich an den weltweiten Klimastreiks am 27. September 2019 zu beteiligen. Es geht um nichts weniger als um unsere Zukunft.
Das wars für den Moment. Wir wünschen trotz turbulenten Zeiten einen guten Wochenstart.
Romano und das mutantia-Team
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