Bäuerliche und industrielle Landwirtschaft
Die Landwirtschaft ist bis heute die wichtigste Erwerbsquelle und der größte Wirtschaftszweig der Welt. Ein Drittel aller arbeitenden Menschen ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Millionen von Kleinbauern, Subsistenzlandwirten, Hirten, Fischern und Indigenen produzieren in Asien und Afrika meist auf kleinsten Flächen den größten Teil aller Lebensmittel, die die Menschheit vertilgt. Für die Agrarpolitik, ihre internationalen Institutionen und auch für die private und öffentliche Forschung waren Subsistenz und Kleinbauern jahrzehntelang nur rückschrittliche „Auslaufmodelle” einer vorindustriellen Wirtschaftsweise.
„Wachse oder weiche!” lautete mit wenigen Ausnahmen seit über 50 Jahren das kapitalistische wie sozialistische Fortschritts-Credo. Nur größere wirtschaftliche Einheiten seien imstande, durch moderne und rationalisierte Anbaumethoden, in erster Linie durch erhöhten Chemie- und Maschinen-Einsatz, die erforderliche globale Produktionssteigerung zu erbringen.
Die landwirtschaftliche Tretmühle
Dieses Entwicklungsmodell der Industrieländer beschreibt der Weltagrarbericht als die „landwirtschaftliche Tretmühle”. Sie basiert auf Technologie-Schüben, etwa in der Mechanisierung, Zucht, Agrar-Chemie oder Gentechnik, die bei steigendem externen Input die Stückkosten senken und die Produktivität pro Arbeitskraft erhöhen.
Die Produktion steigt, die Erzeugerpreise sinken. Auf dem Markt überleben die Betriebe, die durch Rationalisierung, Erweiterung oder Standortvorteile der Konkurrenz einen Schritt voraus sind. Ist ihr Vorsprung aufgebraucht, beginnt auch für sie die nächste Runde. Ein Ende dieser Tretmühle ist nicht vorgesehen. Je globaler der Markt, desto schneller das Tempo und desto unüberschaubarer das Spiel für den Einzelnen.
Dass dieses Universalprinzip des technischen Fortschritts in der freien Marktwirtschaft für die nachhaltige Ernährung und für die Organisation der Landwirtschaft das optimale Konzept ist, stellt der Weltagrarbericht aus unterschiedlichen Gründen infrage. Zunächst folgt die wichtigste Grundlage der Landwirtschaft – das Nutzungsrecht an fruchtbarem Boden, der nur selten vermehrbar ist – fast nirgends klassischen Marktregeln von Angebot und Nachfrage. Historisch aus Feudalismus, Kolonialismus und patriarchalischer Erbfolge entstanden, war seine Verteilung schon immer das Ergebnis ganz besonderer Machtkämpfe und Machenschaften, bei denen es selten transparent, gerecht und gewaltfrei zugeht.
Fakten & Zahlen
- Etwa 3,36 Milliarden Menschen oder 46% der Weltbevölkerung wohnen in ländlichen Gebieten. Knapp 2,5 Milliarden Menschen weltweit leben vorwiegend von der Landwirtschaft.
o Die Landwirtschaft stellt die Lebensgrundlage für 62% aller Menschen in Afrika südlich der Sahara dar. In Südasien sind 50% der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig.
o Kleinbauern sind sehr produktiv. In Brasilien stellen kleinbäuerliche Familienbetriebe im Schnitt 40% der Produktion einiger Hauptanbauprodukte bereit und zwar auf weniger als 25% der Ackerfläche. In den USA produzieren sie 84% aller Erzeugnisse auf 78% der Anbaufläche. Kleinbauern in Fidschi stemmen 84% der Produktion von Yams, Reis, Maniok, Mais und Bohnen auf nur 47,4% des Landes.
o „Die Welt braucht einen Paradigmenwechsel in der landwirtschaftlichen Entwicklung: von einer ‚Grünen Revolution’ hin zu einem Ansatz ‚ökologischer Intensivierung’. Dies beinhaltet einen schnellen und bedeutenden Übergang von der konventionellen, von Monokulturen geprägten und stark auf externe Inputs angewiesenen industriellen Produktion hin zu einem Mosaik nachhaltiger, erneuerbarer Produktionssysteme, die auch die Produktivität von Kleinbauern erheblich verbessern.“
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