Patente auf Saatgut und Leben

Logo WeltagrarberichtDer weltweite Umgang mit Saatgut, der Grundlage unserer Ernährung, ist ein Brennglas der Privatisierung landwirtschaftlichen Wissens. Der Weltagrarbericht beschreibt die Entwicklung der vergangenen hundert Jahre in offensichtlicher Sorge um die Zukunft und die allgemeine Zugänglichkeit und Vielfalt der genetischen Ressourcen unserer Kulturpflanzen.

Über Jahrtausende hinweg zunächst von Landwirten als gemeinsames Erbe erhalten, ausgetauscht und fortentwickelt, war Saatgut zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein öffentliches Gut, das von der Wissenschaft nach neueren Erkenntnissen der Genetik, v.a. der gerade wiederentdeckten Mendel’schen Gesetze, verbessert und von staatlichen Stellen systematisch erfasst und Landwirten zur Verfügung gestellt wurde.

Während die ersten großen staatlichen Saatgutsammlungen nach modernen Erkenntnissen unter anderem von Nikolai Vavilov in Leningrad eingerichtet wurden, machten private Züchter in den 30er und 40er Jahren erstmals geistige Eigentumsrechte an neu entwickelten Sorten geltend. Sie achteten jedoch auch in dem 1961 vereinbarten internationalen Sorten- schutzabkommen UPOV darauf, dass das genetische Material selbst für weitere Züchtung frei verfügbar blieb (Züchtervorbehalt) und Landwirte aus eigener Ernte gewonnenes Saatgut anbauen konnten (Landwirteprivileg). Zu einem privatwirtschaftlich interessanten Geschäft wurde Saatzucht erst mit der Einführung von Hybridsaatgut in den 20er Jahren durch die Firma Pioneer Hi-Bred. Weil die ertragreicheren Hybridsorten in der folgenden Generation keine Samen von einheitlicher Qualität mehr hervorbringen, wirken sie wie ein „biologischer Sortenschutz“.

Seit den 40er Jahren entwickelten internationale Pflanzenzuchtzentren, v.a. mit Mitteln der Rockefeller und Ford Foundation, gezielt neue Hochleistungssorten, die zur Steigerung der Getreideproduktion und zur Bekämpfung des Hungers in den 60er und 70er Jahren einen wichtigen Beitrag leisteten. Hierbei handelte es sich um öffentliche, nicht-gewerbliche Programme. Sie gingen allerdings mit einem rapiden globalen Anstieg des kommerziellen Einsatzes von Pestiziden und Dünger einher. In den 80er Jahren begannen einige Firmen, systematisch in die Gentechnik zu investieren. Exklusive Patente auf gentechnische Veränderungen und isolierte Erbinformationen ermöglichten erstmals, anderen die Nutzung bestimmter genetischer Eigenschaften in der Züchtung zu untersagen. Seit der Jahrtausendwende bemühen sich Unternehmen zudem mit wachsendem Erfolg, sogar Patente auf die Ergebnisse herkömmlicher Züchtung, z.B. den Gehalt bestimmter Inhaltsstoffe oder schiere Hochwüchsigkeit wie bei Monsantos „geköpftem Brokkoli“, durchzusetzen. Parallel dazu wurde auch das Sortenschutzrecht verschärft. Die Version des UPOV- Übereinkommens von 1991 verbietet Landwirten den Tausch oder Verkauf von geschütztem Saatgut und schränkt auch dessen Nachbau ein.

Zahlen & Fakten

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