Hunger im Überfluss

Logo WeltagrarberichtFast jeder neunte Mensch auf der Welt hungert. Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO haben 815 Millionen Menschen regelmäßig nicht genug zu essen. Dabei fahren die Landwirte heute nicht nur in absoluten Zahlen die größte Ernte aller Zeiten ein, sondern auch pro Kopf der wachsenden Weltbevölkerung. Vollständig und so effektiv wie möglich als Lebensmittel eingesetzt könnte diese Ernte 12-14 Milliarden Menschen ernähren.

Die wechselhafte Geschichte der Bekämpfung des Hungers ist so alt wie die Menschheit, deren Populationen sich immer wieder veränderten Umweltbedingungen, Seuchen und anderen Widrigkeiten anzupassen hatten. Erstmals seit Beginn des Ackerbaus stehen der Menschheit heute die Mittel zur Verfügung, den Hunger zu überwinden.

Im Jahre 1996 verpflichteten sich die Staatschefs der Erde auf dem Welternährungsgipfel in Rom feierlich, bis 2015 die Zahl der Hungernden auf 425 Millionen zu halbieren. Dass ausreichende und gesunde Ernährung ein unver äußerliches Menschenrecht ist, hatten die Vereinten Nationen bereits 1948 postuliert. Effektive Mittel, um dieses Recht einzuklagen, haben die Betroffenen bis heute nicht. Dabei könnten heute sämtliche Regierungen der Welt – wenn sie nur wollten – gewährleisten, dass alle Bürgerinnen und Bürger ihres Landes genügend zu essen haben. Einige wenige Länder müssten hierfür zeitweise fremde Hilfe in Anspruch nehmen. Indien, China, Pakistan, Bangladesch und Indonesien, in denen über die Hälfte aller Hungernden dieser Welt leben, gehören mit Sicherheit nicht dazu.

Globale Hungerstatistik: Biegsame Kurven, flexible Ziele

Die jährlich von der FAO veröffentlichte Zahl der weltweit Hungernden bezieht sich auf den Durchschnitt der vorigen drei Jahre und beruht auf komplexen Annahmen und Hochrechnungen und nationalen Statistiken unterschiedlicher Qualität und Unabhängigkeit. Viele der Annahmen erweisen sich als enorm flexibel. 2009 warnte die FAO vor über einer Milliarde Hungernden, 2010 lag die Zahl bei 925 Millionen. 2011 überarbeitete sie die Berechnungsmethode. Die Zahl der Hungernden sank daraufhin 2012 auf 868 Millionen, 2013 auf 842 und 2015 auf 795 Millionen. Das Ziel des Welternährungsgipfels 1996, die absolute Zahl der Hungernden von 1990 bis 2015 zu halbieren, bleibt unerreichbar, während das listig veränderte Millenniums-Entwicklungsziel, nur den prozentualen Anteil der Hungernden an der Weltbevölkerung zu halbieren, die seit 1990 um zwei Milliarden Menschen anstieg, nur knapp verfehlt wird.

Die neuen Schätzungen kalkulieren Lebensmittelverluste ein, nehmen aber an, dass die Menschen im globalen Durchschnitt weniger aktiv und etwas kleiner sowie die Verteilungsungerechtigkeiten weniger krass sind als bisher vermutet. Diese und andere Annahmen verwandeln wie von Zauberhand die Hungerkurven, die nun nicht mehr nach oben, sondern nach unten zeigen. Wichtigste Grundlage zur Berechnung der Zahl der Hungernden ist der tägliche Energiebedarf eines Menschen. Die FAO legt dafür einen „bewegungsarmen Lebensstil“ zugrunde, wie er bei Büroarbeit üblich ist. Dessen minimalen Kalorienbedarf gibt sie im globalen Schnitt mit 1840 Kilokalorien pro Tag an. Ein „normaler Lebensstil“ als Basis – hier wäre das Minimum 2020 Kalorien – hätte 2013 die Zahl von 842 auf 1297 Millionen Hungernde schnellen lassen.

Zahlen & Fakten:
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