Interview: Prof. Matthias Gauly (Uni Bozen)
Salto.bz.it: “Der Südtiroler ist ja intelligent” – Warum wird Gülle negativ diskutiert? Was müssen Landwirte an Klimaschutz leisten? Wie kann ein systemischer Wandel ohne Konflikte gelingen?
Es wird auch aus der Landwirtschaft keiner bestreiten, dass die Impulse, die aus Mals gekommen sind – auch wenn man sie nicht zu 100 Prozent nachvollziehen muss – uns alle zum Nachdenken angeregt haben.
[…] Politische Vorgaben sind also zielführend, um einen Wandel herbeizuführen? Sicher. Denn was ist eine schärfere Anordnung als eine gesetzliche Vorgabe, um einen Wandel zu erzielen? Die, die unter höheren Standards leiden, wie sie auf EU-Ebene auch versucht werden einzuführen, würden klagen, weil ihre Kosten steigen. Aber die Nebenkosten der Landwirtschaft – der intensiven Form der Landwirtschaft – sind Kosten, die wir als Gesellschaft alle tragen. Und die muss man eben auch in Rechnung stellen. […]
Sie sind Mitglied des Expertenrats, den Landesrat Arnold Schuler eingesetzt hat, um Impulse für die Zukunft der Landwirtschaft in Südtirol zu erarbeiten. Unter anderem wurde ein Gesellschaftsvertrag angekündigt. Wie wichtig ist gerade im Bereich Landwirtschaft und in einem so bäuerlich geprägten Land wie Südtirol der Dialog zwischen den verschiedenen Interessengruppen?
Als Nicht-Südtiroler würde ich sagen, dass der Dialog zwischen den einzelnen Gruppen für das Land absolut entscheidend ist. Weil hier in Südtirol verschiedene wichtige Bereiche so eng miteinander verzahnt und voneinander abhängig sind. Die Landwirtschaft kann nicht unabhängig vom Tourismus produzieren und handeln, denn der Tourist kommt hierher, weil das Umweltgut Natur geschätzt wird. Seine Natur und Umwelt sind das wichtigste Gut, das Südtirol hat. Daher braucht es Einklang zwischen den verschiedenen Gruppen. Wenn die sich nicht an einen Tisch setzen, Konflikte klar machen, ansprechen und Lösungen dafür kommen, sehe ich eine erfolgreiche Zukunft für Südtirol schwierig, vor allem was den Tourismus anbelangt. Der Tourismus und der Name Südtirol sind aber wiederum für unsere landwirtschaftlichen Produkte absolut essentiell. Wir bekommen für die Milch etwas mehr, weil man Südtirol als Marke kennt. Wenn wir die Marke derjenigen sind, die mit der Natur wenig am Hut haben, dann wüsste ich nicht, warum irgendjemand den Südtiroler Käse oder Apfel noch essen soll. Wir sind in Südtirol so essentiell voneinander abhängig, dass der Dialog sein muss.
Es wird auch aus der Landwirtschaft keiner bestreiten, dass die Impulse, die aus Mals gekommen sind – auch wenn man sie nicht zu 100 Prozent nachvollziehen muss – uns alle zum Nachdenken angeregt haben. Man muss nicht den Forderungen anderer zu 100 Prozent nachkommen. Die Frage ist vielmehr, ob man zusammenkommt. Und da sehe ich, wie gesagt, Dialog- und auch Kompromissbereitschaft. Es muss nur in den Zusagen eine gewisse Verbindlichkeit da sein. Es geht uns ja allen so: Wir sind es leid, irgendwas versprochen zu bekommen und dann keine Bewegung zu sehen. Die Leute wollen eine Verbindlichkeit, sie wollen eine Zielsetzung, sie wollen etwas, das nachprüfbar ist. Das ist wichtig. Es muss belegbar sein, dass man bereit ist, etwas zu tun und dass etwas getan wird. Das gilt nicht nur für Landwirte, sondern für alle Seiten. Da können wir alle etwas beitragen. […]
Entschuldigung, Fehler durch das automatische Rechtschreibeprogramm: nicht „ungemünzten“ sondern „ungedüngten“!
„Wo Mistus, da Christus!“ habe ich in meiner Jugend gelernt; dieser Mist musste aber jahrelang reifen bis er die Konsistenz von Humus hatte. Aber die Gülle?
Zweifellos verursachen die Großställe mit den Superkühen eine Überproduktion an Gülle, welche beständig abgezapft, baldigst in Tankwagen abgefüllt und ausgebracht wird. Diese Gülle ist scharf und nitratreich. Nicht selten enthält sie auch Antibiotika. Ich denke, dass alldas die Bodenlebewesen wie auch die Biodiversität reduziert. Mir ist an vielen güllegedüngten Bergwiesen in Südtirol aufgefallen, dass die Biodiversität abgenommen hat, zu ersehen an den ungemünzten Rändern oder Feldwegen. In der Schweiz hat sich gezeigt, dass das Trinkwasser bedenklich Nitrat-belastet ist. Ich wüsste nur zu gerne, was entsprechende Untersuchungen in Südtirol ergeben würden.